Wildtierärztin Lara Grundei erklärt: Rechtliche Grundlagen in der Igelpflege

Ich möchte euch hiermit einige wichtige Informationen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen geben, in denen man sich in der Igelpflege bewegt und auch auf die tierärztliche Versorgung eingehen.


Zunächst ist es wichtig zu erklären, dass es für Finder generell keine Verpflichtung gibt, einem hilflosen Wildtier zu helfen, da Wildtiere „herrenlos“ sind. Sobald sich aber der Finder entschließt, dem Tier zu helfen, und es aufzunehmen, wird er ein „Tierhalter“ im Sinne des Tierschutzgesetzes und muss dann dafür sorgen, dass das Tier fachgerecht versorgt wird.

Da ein Laie das nicht kann, muss er das Tier an eine geeignete Stelle abgeben oder im Falle von Verletzungen / Erkrankungen zum Tierarzt bringen – und theoretisch auch in voller Höhe dafür bezahlen. Da dazu aber die wenigsten bereit sind und das Tier eher draußen leiden lassen würden, sind viele Tierärzte kulant und behandeln kostenlos, obwohl sie das eigentlich nicht dürfen – jede tierärztliche Leistung muss nach der GOT abgerechnet werden.

Es ist also ein großer Beitrag zum Tierschutz, wenn ein Tierarzt ein Wildtier (fachkundig!) behandelt.

Da viele Tierärzte aber wenig über Wildtiere wissen (wird im Studium nicht gelehrt) oder auch keinen wirtschaftlichen Vorteil darin sehen, lehnen sie die Behandlung von Wildtieren ab. Das ist zu akzeptieren – besser, als wenn Tiere nachher falsch behandelt werden. Jedoch ist ein Tierarzt rechtlich zur Notfallbehandlung verpflichtet und es kommt tatsächlich vor, dass auch bei akuten lebensbedrohlichen Fällen oder sogar klarer Euthanasieindikation eine Behandlung abgelehnt wird.

Das Igelnetzwerk bietet keine Alternative zu einem Tierarztbesuch – es nimmt verwaise Jungtiere zur Aufzucht auf – bei kranken oder verletzten Tieren müssen die Pflegestellen aber ebenso zum Tierarzt und dort oft auch bezahlen, zusätzlich zu den hohen Futterkosten und dem zeitlichen Aufwand der Pflege.

Ein Finder sollte also auch immer eine Spende für die Ehrenamtlichen übrig haben, die sich fachkundig um seinen Findling kümmern. Das Igelnetzwerk Peine bietet aber stehts eine schnelle und individuelle Beratung und kann auch Kontakte zu igelkundigen Tierärzten vermitteln.

Bei schwer verletzten Tieren an Wochenenden oder nachts empfiehlt es sich stets, die Tierärztliche Hochschule in Hannover aufzusuchen, die Wildtiere 24/7 gegen eine Pauschale von 25€ aufnimmt.

Manche Tierärzte haben auch die Angst, sie dürften rechtlich keine Wildtiere behandeln. Das stimmt nicht. Selbst bei jagdbaren Arten – zu denen der Igel nicht zählt – darf im Notfall immer geholfen werden.

Das Argument, verletzte Wildtiere seien Teil der Natur und dienen anderen Tieren als Nahrung, muss hier sehr klar zwischen den Gründen der Hilfsbedürftigkeit differenziert und auch generell auf die Gefährdungslage der Tierart geschaut werden.

Die meisten Wildtiere werden durch menschengemachte Gründe hilfsbedürftig.

Sei es Nahrungsmangel durch Insektensterben (Pestizide, Klimawandel, Urbanisierung), Lebensraumverlust/-zerschneidung (Flächenversiegelung, Infrastruktur) oder direkte Gefahren (Fensterscheiben / Katzen für Vögel, Gartengeräte/Autos/Kellerschächte/Gifte/Hunde für Igel).

Der Igel steht seit 2024 auf der Vorwarnstufe der roten Liste und hat kaum natürliche Fressfeinde (Dachs, Uhu), daher „nützt“ ein verletzter Jungigel im urbanen Raum keiner anderen Tierart in der Nahrungskette.

Es ist aber auch nicht erlaubt, ein Wildtier welches gar nicht hilfsbedürftig ist, oder es aufgrund seines Gewichts eventuell erst in ein paar Wochen werden könnte, aus der Natur zu entnehmen.
Auch jedes „Aufsuchen, Nachstellen, Stören und Einfangen“ ist verboten.

Daher möchte ich appellieren, die Tiere eher mit Kameras zu beobachten und die „eigenen Gartenigel“ nicht aus übermäßiger Sorge zu oft zu händeln. Igel sind keine Fluchttiere, das heißt aber nicht, dass sie keinen Stress empfinden, wenn sie Menschenkontakt haben. Sie zeigen durch Einrollen ein klares Abwehrverhalten und jeder unnötige Kontakt schadet ihnen.

Im Bundesnaturschutzgesetz §45 ist klar geregelt, dass Wildtiere nur dann aufgenommen werden dürfen, wenn sie verletzt, hilflos oder krank sind und auch nur mit dem Zweck der Gesundpflege. Das ist jedes Mal eine Einzelfallentscheidung und abhängig vom Zustand des Tieres und den äußeren Umstände wie Wetter/Jahreszeit. Eine pauschale Gewichtsempfehlung ist daher noch keine Grundlage ein Tier einzusammeln.


Wenn der Igel keine Chance auf Wiederauswilderung hat, muss er leider eingeschläfert werden, eine Dauerhaltung gehandicapter Wildtiere ist verboten und wird nur in seltenen Fällen von der Unteren Naturschutzbehörde ausnahmsweise genehmigt, wenn ein „höherer Grund“ wie zb. Zucht zum Arterhalt bei seltenen Tierarten vorliegt.
Ansonsten ist das Wohl des Einzeltieres ausschlaggebend.


Bei aller Tierliebe dürfen wir nicht vergessen, dass Wildtiere immer noch am besten ohne uns klar kommen und jeder menschliche Eingriff auch potenziell negative Folgen nach sich zieht.

Da wir beim Igel meist ursächlich für die Hilfsbedürftigkeit sind, ist es auch unsere ethische Verpflichtung zu helfen, aber immer nur im besten Sinne für das Tier.


Danke für euer Engagement!